Wiesbadener Frauen tanzen bei One Billion Rising

One Billion Rising 2015 mit Dr. Daniela Sommer
One Billion Rising 2015 mit Dr. Daniela Sommer

Von Kathrin Handschuh

Luise Kirchmann ist 83 und topfit. Wie ein junges Mädchen bewegt sie sich zu den lauten Rhythmen der Musik. Für zwei Stunden verwandelt sich der Luisenplatz am Samstag in eine riesige Tanzarena. Rund 70 Frauen und Mädchen zeigen eine ausdrucksstarke Choreografie. Viele von ihnen sind rot-schwarz gekleidet.

Das sind die Farben der Aktion „One billion rising“, zu der das Frauenreferat der Stadt aufgerufen hat. Weltweit lockt „One billion rising“ seit 2012 immer am 14. Februar Menschen auf die Straße, um gegen Gewalt gegen Frauen ein Zeichen zu setzen. Gewaltfrei und mit Musik und Tanz.

„Das finde ich gut, so etwas gab es zu meiner Zeit nicht“, sagt Kirchmann außer Atem. Sie hat sich spontan den tanzenden Frauen angeschlossen, obwohl sie eigentlich nur kurz einkaufen gehen wollte. „Mir gefällt die Musik richtig gut, sie ist kraftvoll und ausdrucksstark.“

„Break the chain“ heißt das Lied, das eigens für die Kampagne komponiert wurde und Frauen als starke Geschöpfe beschreibt. Birte Siemonsen vom Frauenreferat hat das Spektakel mitorganisiert. „Jede dritte Frau wird weltweit Opfer von Gewalt, meistens sind die Täter die eigenen Partner.“ In Wiesbaden habe es im vergangenen Jahr mehr als 1000 Fälle häuslicher Gewalt gegeben. „Die Dunkelziffer liegt jedoch deutlich höher.“ Das Frauenhaus habe 1056 Beratungsgespräche geführt, musste allerdings rund 600 Frauen aus Platzmangel in andere Einrichtungen weiterleiten. Gabriele Schuchalter-Eicke, Vorsitzende des Frauenausschusses, eröffnet die Tanzaktion mit einer aufwühlenden Ansprache: „In Erinnerung sind natürlich die Fälle aus der Dotzheimer und der Wellritzstraße, bei dem Frauen gewaltsam ums Leben kamen. Heute gedenken wir allen Frauen, denen Gewalt angetan wurde.“

Häusliche Gewalt komme in allen Schichten und Altersstufen vor, Vergewaltigung sei davon die schlimmste Form. Sie appelliert an alle Frauen, dem Leiden ein Ende zu setzen. Frauen trauten sich häufig nicht von den Misshandlungen zu berichten, sie schämten sich. „Dabei sind die Männer diejenigen, die sich schämen sollten“, betont sie.

Keine Männer zu sehen

Gewalt sei ein extrem menschenverachtendes Verhalten und eine strafbare Handlung. Außerdem kritisiert sie die Gesellschaft, die dazu neige, Gewalt an Frauen zu verharmlosen. „Ein kurzer Rock und ein tiefer Ausschnitt gelten immer noch als willig. Aber ein Nein bedeutet überall auf der Welt ein Nein.“ Die Zuschauer belohnen die mutigen Tänzerinnen mit viel Applaus. „Schade, dass keine Männer mittanzen“, sagt eine.

(In Wiesbadener Kurier am 16.02.2015, http://www.wiesbadener-kurier.de/lokales/wiesbaden/nachrichten-wiesbaden/wiesbadener-frauen-tanzen-bei-one-billion-rising-gegen-haeusliche-gewalt-an_15023149.htm)