
Keine andere Promotion leidet in der Wissenschaft unter einem so schlechten Ruf wie die medizinische. Meist zu Recht: Es gibt dokumentierte Fälle von wissenschaftlichem Fehlverhalten bei medizinischen Promotionen an hessischen Hochschulen, die zum Teil nicht entzogen wurden. Einige Verfahren und Meldungen über Entzüge, die früher im Jahrbuch der Hochschulschriften gemeldet wurden, sind wenig transparent und partiell lückenhaft.
An den hessischen Hochschulen wurde drei Medizinern in den vergangenen fünf Jahren die Promotion aberkannt. In 26 Fällen gab es in diesem Zeitraum Anzeigen oder Ermittlungen wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Dies teilte das Wissenschaftsministerium auf eine Kleine Anfrage der SPD-Landtagsabgeordneten Dr. Daniela Sommer mit. Aberkannt wurde der Titel zwei Medizinern an der Universität Gießen und einem in Marburg. Die Universität Frankfurt meldete keinen Fall. In Gießen ist einer der beiden Fälle noch vor Gericht anhängig.
Unter den 26 Anzeigen entfallen 19 auf die Justus-Liebig-Universität in Gießen. Davon wurde in vier Fällen das Vergehen als nicht schwerwiegend erachtet und der Doktorgrad nicht entzogen. Fünf Fälle werden derzeit noch von einem Ombudsmann untersucht. In Marburg sind fünf der sechs Verdachtsfälle noch nicht abgeschlossen. In Frankfurt wurde dem Ministerium zufolge nur ein Verfahren aktenkundig, das derzeit aber ruht.
Dr. Daniela Sommer (SPD) ist die Aufklärung wichtig, nicht zuletzt, um gefälschte Medizin-Dissertationen das Handwerk zu legen und der Qualität und Wertschätzung des Doktortitels jener, die nicht betrügen, nicht zu schaden. Plagiats-Verdachtsfälle sind nicht tragbar, sagt die stellvertretende Sprecherin für Wissenschaft und Kunst der SPD-Landtagsfraktion.
Die Verleihung des Doktorgrades bei medizinischen Promotionen erfolge in Deutschland weitgehend unabhängig von der Qualität der Promotionsleistungen: Doktorarbeiten sollten den wissenschaftlichen Standards entsprechen, so Sommer abschließend, die ihre Promotion in den Wirtschaftswissenschaften (Wirtschaftspädagogik) absolvierte. Sie fertigte ihre Doktorehre, nicht wie Ärzte durchschnittlich in zwölf Monaten, sondern wie Historiker, Physiker, Naturwissenschaftler oder Soziologen, die rund drei Jahre in Bibliothek, Labor und/oder Schreibstube forschen und arbeiten, im Sinne der geforderten wissenschaftlichen Expertise und des Wissensfortschrittes an.