
Die SPD-Landtagsabgeordnete Dr. Daniela Sommer stellte in Wiesbaden eine Kleine Anfrage bezüglich des landeseigenen Gütesiegels Familienfreundliche Arbeitgeber an das Hessische Ministerium des Innern und für Sport.
Im September 2014 wollte sie bereits wissen, welche Anreize und Maßnahmen die Landesregierung für Studierende und Beschäftigte schafft, um den Anforderungen der Vereinbarkeit von Hochschule/Beruf und Familie/Pflege gerecht zu werden. Damals kündigte Wissenschaftsminister Boris Rhein (CDU) die Entwicklung eines landeseigenen Gütesiegels Familienfreundliche Arbeitgeber Land Hessen bzw. Familienfreundliche Hochschule Land Hessen an.
42 Einrichtungen, darunter 39 Dienststellen und drei Hochschulen, wurden nun – nach der erstmaligen Überreichung durch Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) am 23. April 2015 – mit dem neuen Gütesiegel Familienfreundlicher Arbeitgeber ausgezeichnet. Charmant ist für die landeseigenen Dienststellen, dass das Siegel im Gegensatz zum zuvor genutzten Audit berufundfamilie gGmbH kostenfrei ist und ein schlankeres Berichtswesen vorsieht.
Das eigene Siegel wirft für die Expertin aber Fragen zur Legitimität von eigenen Zertifikaten auf. Ein externes Gutachten zur Einhaltung und Umsetzung der Zertifizierungsziele ist nicht vorgesehen. Das Controlling wird durch das Gütesiegel-Büro im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport durchgeführt. Das bedeutet, man zertifiziert sich einfach mal selbst!, erläutert Dr. Daniela Sommer.
Sommer warnte bereits im vergangenen Jahr: Ein solches Siegel muss gut durchdacht und aufgestellt sein, damit es nicht zum zahnlosen Tiger wird. Ein Zertifikat oder ein Siegel, erklärt die Landtagsabgeordnete, die zu Organisationskulturen und -management forschte, braucht eine Legitimität und Akzeptanz, aber auch Umsetzungswillen in der Praxis, damit es nicht lediglich eine Rhetorik oder ein Zeichen auf dem Briefkopf bleibt, sondern in der Unternehmenskultur pragmatisch angewandt wird.
Innenminister Beuth beruft sich diesbezüglich auf die starke Bindungswirkung des Gütesiegels als Instrument seines Ministeriums. Jedem Unternehmen, das lediglich eine interne Zertifizierung absolvieren würde, würde nachgesagt, dass es etwas zu verbergen habe, da es die externe Begutachtung scheue!, so Sommer.
Die landeseigenen Dienststellen werden einer eigenen Überprüfung unterzogen und vermeiden so die externe Expertise, die Kritik und mögliche Verbesserungsvorschläge. Eine externe Begutachtung fördere fixierte Meilensteine in der Qualitätsentwicklung, sie bringe zudem fachliche und methodische Impulse und sensibilisiere durch die Außenperspektive besser für Qualitätsmanagement, Stärkung und Wertschätzung der familienfreundlichen Kultur.
Wenn man sich selbst zertifiziert, ist die Gefahr groß, dass negative Aspekte keine Reflexion, Änderung oder weitere (Handlungs-)Kompetenzen erfahren und der eigentliche Zertifizierungsgedanke schnell anderen wichtigen Unternehmensentscheidungen weichen wird, befürchtet die Abgeordnete. Die Einhaltung der Themenbereiche und Schwerpunkte sind somit nicht konsequent festgelegt oder gar sanktioniert. Für die Menschen, die von dem Mehrwert eines Siegels profitieren sollten, ist dies eine Bankroterklärung. Wollen sie sich beschweren oder für den Einhalt der Zertifizierung sorgen, haben sie keine Handhabe.
Sommer hält abschließend fest, dass die inflationäre Einführung immer neuer Systeme beendet werden müsse und Zertifikate nur dann legitim seien, wenn diese extern überprüft werden.