Iris Berben erhält Georg-August-Zinn-Preis

Georg-August-Zinn-Preis für Iris Berben
Georg-August-Zinn-Preis für Iris Berben
Iris Berben erhält Zinn-Preis

Die SPD Hessen ehrte die Schauspielerin Iris Berben mit dem Georg-August-Zinn-Preis. Bei der Verleihung der Auszeichnung im Hessischen Landtag würdigte der Fraktions- und Landesvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel die starke und unmissverständliche Haltung von Iris Berben gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung.

„Wir ehren heute Abend die wahrscheinlich erfolgreichste Charakterdarstellerin Deutschlands dafür, dass sie im wirklichen Leben ein starker Charakter ist, der sich allem widersetzt, was unsere offene, liberale Gesellschaft angreift. Ich bin überzeugt, dass es ganz im Sinne von Georg-August Zinn ist, den nach ihm benannten Preis an solch eine große Persönlichkeit zu vergeben, die sich unmissverständlich und unüberhörbar für Gerechtigkeit, Menschlichkeit und die Solidarität in der Gesellschaft einsetzt. Wo manche nur sagen ‚Wir schaffen das!‘, sagt Iris Berben ‚Wir machen das!‘. Sie ist ein Vorbild in ihrer Haltung und in ihrem Tun“, sagte Schäfer-Gümbel am Abend.

Die Laudatio auf Iris Berben hielt die Erste Kreisbeigeordnete des Landkreises Kassel, Susanne Selbert. Deren Großmutter, die Juristin und Politikerin Elisabeth Selbert, gehörte zu den Müttern des Grundgesetzes und wurde 2014 in dem Film „Sternstunde ihres Lebens“ von Iris Berben verkörpert. Wir dokumentieren im Folgenden die Laudatio im Wortlaut. (Es gilt das gesprochene Wort.)

Liebe Iris Berben,
liebe Mitglieder der Familie Zinn,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

als man mich fragte, „Möchtest du die Laudatio am heutigen Tage halten?“, da habe ich zuerst gedacht: Oh je, muss ich? Darf ich? Soll ich? Denn wir wissen alle: Mit Iris Berben sitzt heute hier unter uns eine der beliebtesten, profiliertesten und wandlungsfähigsten Schauspielerinnen unseres Landes. Und jeder von uns verbindet ad hoc mit dem Namen Iris Berben ganz unterschiedliche Filme von ihr, sowohl auf der Leinwand als auch im Fernsehen. Die meisten von uns können sich sicherlich an „Sketchup“ an der Seite des unvergessenen Diether Krebs erinnern. Eine Sendung die mittlerweile Kultstatus genießt. Viele erinnern sich an die Buddenbrooks oder auch an die Familie Krupp. Ganz vielen kommt sicherlich auch die Kommissarin Rosa Roth in den Sinn. Ich glaube jedem von uns fallen noch weitere Produktionen ein, wie „Das Erbe der Guldenburgs“, eine der erfolgreichsten deutschen Fernsehserien, oder die „Schicksalsjahre einer deutschen Familie“ – Ein weites Herz. Das waren jetzt nur einige der ganz bekannten Produktionen. Iris Berben hat in unzähligen mitgewirkt. Ich will nicht verschweigen, dass ich mich auch gut an Rennschwein Rudi Rüssel erinnere und natürlich – wie kann es anders sein – an den Film „Sternstunde ihres Lebens“, der im Jahr 2014 angelaufen ist und in dem Iris Berben meine Großmutter gespielt hat.

Spätestens ab diesem Zeitpunkt bin eine Bewunderin von ihr geworden, weil sie es geschafft hat, dass ich in ihr, obwohl sie so ganz anders aussieht als meine Großmutter, tatsächlich aber meine Großmutter wiedererkannt habe und zwar durch die wunderbare Charakterdarstellung. Ich habe sie im letzten Jahr in Kassel kennenlernen dürfen und deshalb stehe ich sehr, sehr gerne hier.

Aber heute ist Iris Berben eigentlich nicht hier, weil sie so eine tolle und großartige Schauspielerin ist. Sie ist hier, weil sie sich darüber hinaus in ganz außerordentlicher Weise gegen Ausgrenzung, Antisemitismus, Rechtsextremismus, gegen Fremdenfeindlichkeit und für eine offene Gesellschaft und sozialen Zusammenhalt engagiert.

Liebe Iris Berben,

in dem Geleitwort für das Buchprojekt „Mein Kampf – gegen Rechts“ des Vereins „Gesicht zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland“ schreiben Sie:

Schauspielerei ist meine Passion. Aber der Kampf gegen Rechts ist meine Pflicht. Dazu gehört, gefährliche Entwicklungen nicht einfach wortlos zu akzeptieren, sondern ihnen lautstark etwas entgegenzusetzen.

Und Sie schreiben weiter:

Wann immer ich Drohbriefe bekomme, weil ich mich für Toleranz und gegen Fremdenfeindlichkeit einsetze, ist es genau der Moment, wo mir klar wird, man muss seinen ganzen Mut zusammennehmen und Gesicht zeigen. Nicht nur, um sich alldem zu stellen, was in unserem Land geschehen ist. Sondern auch, um sich dem entgegenzustellen, was heute jeden Tag geschieht.

Und dieses Engagement besteht seit Jahrzehnten. Es war wohl zum einen der frühe Kontakt mit der Studenten- und Protestbewegung, der Sie nachhaltig prägte.

Zum anderen reisten Sie mit 18 nach dem Sechs-Tage-Krieg das erste Mal nach Israel. Das war ein einschneidendes Erlebnis für Sie.

Ich kann das sehr gut nachvollziehen. Ich war mit 18 zum ersten Mal in der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Das hat mein Leben auch verändert.

Seitdem zeigen Sie Gesicht, seitdem erheben Sie Ihre Stimme und zwar gegen Antisemitismus, Rassismus und Ausgrenzung. Seitdem sind Sie für die Juden in Deutschland, für die Menschen in Israel, aber auch für alle anderen, die zu einer angegriffenen, verächtlich gemachten und an den Rand gedrängten Minderheit gehören, eine engagierte Mitstreiterin.

Zu diesem Engagement gehörten auch die Lesungen mit Ihrem Sohn aus „Mama, was ist Auschwitz?“ und die Lesungen bzw. Gegenüberstellungen aus den Tagebüchern von Anne Frank und Josef Goebbels sowie „Hitlers Tischgespräche aus dem Führerhauptquartier“ und viele mehr.

Ihre Verbundenheit mit Israel drückt sich auch in Ihrem Engagement für die Hebräische Universität Jerusalem aus. Diese Universität steht wie kaum eine andere für universelle Werte, dort forschen, arbeiten und leben junge Menschen aus der ganzen Welt und mit den unterschiedlichsten Religionen. Gerade in einer von Krisen geschüttelten Region ist die Universität ein großer Hoffnungsträger, die sich den Idealen ihrer Gründerväter, nämlich Humanismus, Toleranz und gegenseitigem Respekt verschrieben hat.

Ihr Einsatz gegen das Vergessen drückt auch der Umstand aus, dass Sie die Aufgabe der Botschafterin für den „Raum der Namen“ im Holocaust-Denkmal Berlin übernommen haben.

Vielleicht ist es dem ein oder anderen entgangen, aber Iris Berben wurde, neben ganz vielen anderen Ehrungen, für ihr „Lebenswerk der Toleranz“ vom Zentralrat der Juden in Deutschland mit dem Leo-Baeck-Preis im Jahre 2002 ausgezeichnet, 2010 erhielt sie den Internationen Mendelssohn-Preis, 2013 den Preis für Verständigung und Toleranz des Jüdischen Museums Berlin.

Das ist aber nur ein kleiner Ausschnitt des Engagements gegen Rassismus und Antisemitismus.

Darüber hinaus sind Sie – liebe Iris Berben – von Beginn an, seit dem Jahr 2000, engagiert im Verein „Gesicht zeigen!“. Dieser Verein wendet sich bundesweit gegen Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und rechte Gewalt. Immer wieder besuchen Sie Schulen mit dem Verein und diskutieren mit Schülerinnen und Schülern. Sie engagieren sich für eine innovative Ausstellung des Vereins („7xjung – dein Trainingsplatz für Zusammenhalt und Respekt“), die sich künstlerisch mit dem Thema Ausgrenzung/Diskriminierung befasst und aufzeigt, was man dagegen tun kann. Viele weitere Veranstaltungen organisiert der Verein bundesweit.

Schon immer waren Sie der Überzeugung, dass es Ihre Pflicht ist, Ihre Bekanntheit und Popularität dafür einzusetzen, um auf Missstände hinzuweisen und gesellschaftliche Fehlentwicklungen anzugehen. So ist es nur folgerichtig, dass Sie auch Ihr Amt als Präsidentin der Deutschen Filmakademie dafür nutzen.

Bei der Ansprache zur diesjährigen Verleihung des Deutschen Filmpreises riefen Sie, vor dem Hintergrund, dass ausländer- und islamfeindliches Gedankengut mittlerweile Parteiprogramm geworden ist, Ihre Kolleginnen und Kollegen dazu auf, als Künstler nicht zu verstummen, sondern zu handeln.

Ich habe jetzt nur einen kleinen Teil Ihrer Verdienste genannt. Aber alle heute hier Anwesenden werden erkennen, warum die Jury gerade Sie für den Georg-August-Zinn-Preis vorgesehen hat.

Ich glaube, Georg-August Zinn hätte Sie jetzt in den Arm genommen, wäre stolz gewesen und hätte Sie für mehr als würdig erachtet.

Denn er hat am eigenen Leib Verfolgung und Unterdrückung durch den autoritären Unrechtsstaat erfahren. Aus diesem Erleben heraus setzte er sich als Ministerpräsident Hessens fast 20 Jahre lang für einen sozialen und demokratischen Rechtsstaat ein. Gesellschaftliche Integration und soziale Gerechtigkeit wurden zum Markenzeichen der Ära Zinn.

Und er stellte sich eine gute „Mannschaft“ zusammen.

Er umgab sich mit Gleichgesinnten, auch mit guten Querköpfen, die um der Sache Willen keine Konfrontation scheuten.

Einer dieser Gleichgesinnten war der aus der Immigration zurückgekehrte Reichsbannerkamerad Fritz Bauer. Ihn berief Zinn im Jahre 1956 zum Hessischen Generalstaatsanwalt. Bauer trieb die Aufarbeitung der NS-Verbrechen gegen massive Widerstände, nicht nur innerhalb der Justiz, voran.

Weder der Auschwitz-Prozess in Frankfurt, die Rehabilitierung der Widerstandskämpfer um den 20. Juli, die Ermittlungen der Schreibtischtäter der Euthanasie noch die Ergreifung Adolf Eichmanns wären ohne ihn denkbar gewesen. Weder der Vorwurf, er übe persönliche Rache noch die Tatsache, dass die meisten Juristen um ihn herum im NS-Staat gedient hatten, focht ihn an.

Aber: Ohne das Protegé Zinns hätte Bauer seine Mission, die Deutschen mit den Verbrechen der Nationalsozialisten zu konfrontieren und die freiheitlich demokratische Grundordnung der jungen Bundesrepublik neu zu begründen, nicht erfüllen können.

Zinn hielt seine schützende Hand über Bauer. Alle Versuche, der noch existierenden braunen Seilschaften in der Justiz, in den Nachrichtendiensten und in den Polizeibehörden, Bauer aus dem Amt zu jagen, schlugen fehl.

Selbst wenn Bauers Wege nicht immer allen formalen Anforderungen des Rechtsstaates entsprachen, er konnte sich Zinns Unterstützung gewiss sein.

Und wir dürfen eines nicht vergessen:

In Hessen lebten 1950 fast 1 Million Vertriebene und Flüchtlinge: 27 Prozent der Bevölkerung, das heißt, mehr als jeder vierte Einwohner war zugewandert. Gleichzeitig waren 18 Prozent der Wohnungen durch den Krieg zerstört worden. Allein die Unterbringung und Versorgung der Menschen stellte die Landesregierung vor enorme Probleme. Schon seiner Zeit war für Zinn von besonderer Bedeutung, dass eine rasche und dauerhafte Eingliederung der „Neubürger“ erfolgen müsse. Der Hessenplan zur Integration der Vertriebenen und Flüchtlinge sah vor, mit Hilfe von ineinandergreifenden, sich ergänzenden Programmen Menschen an die Arbeit und die Arbeit an die Menschen heranzubringen.

Heute ist diese Thematik wieder aktueller denn je.

Ich weiß, dass es Sie sehr bewegt, dass 70 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus, 50 Jahre nach der Ära Zinn, Übergriffe auf Ausländer wieder zum Alltag gehören. Dass Asylbewerberheime brennen, dass wir die schleichende Zunahme von Rassismus und Intoleranz viel zu lange unterschätzt und vernachlässigt haben. Dass Hass gesät wird und geistige Brandstiftung auf fruchtbaren Boden fällt, obgleich Millionen Deutsche vor der Herrschaft der Nazis Schutz in anderen Ländern und nach dem Terror eine neue Heimat suchen mussten.

Sie haben in Interviews viel über die Verantwortung angesichts unserer Geschichte geredet. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, gefährliche Entwicklungen nicht einfach zu akzeptieren, sondern ihnen lautstark etwas entgegenzusetzen, dem Hass entgegenzuwirken. Auch wenn Antworten und Wege nicht immer einfach zu finden sind und trotz aller Drohungen und Kritik.

Die Jury hat also eine tolle Wahl getroffen, ganz im Sinne und ganz in der Tradition von Georg-August Zinn.

Liebe Iris Berben – nehmen Sie den Preis und zeigen Sie weiterhin Gesicht.