Polizist in Hessen zu sein, ist schon lange kein Traumberuf mehr, so die Erkenntnis der nordhessischen SPD-Landtagsabgeordneten nach ihrem Informationsbesuch im Polizeipräsidium Kassel. Sie trafen sich dort mit Polizeipräsident Stelzenbach sowie mehreren Abteilungsleitern und Gewerkschaftsvertretern. Hauptthema in allen Gesprächen war die enorme Arbeitsbelastung der Polizistinnen und Polizisten, sagte Dr. Daniela Sommer, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Landtagsfraktion. Hessenweit schiebt die Polizei inzwischen über drei Millionen Überstunden vor sich her und die Zahl der eingeschränkt Dienstfähigen steigt ständig.
Das seien nur die augenfälligsten Zeichen der Überlastung, betonen die SPD-Abgeordneten. Dauerndes Aushelfen bei Personalengpässen und vermehrte Abordnungen zu Großeinsätzen bei Sportveranstaltungen oder Demonstrationen vermindere die Regenerationszeit und trage so zur Erhöhung des Krankenstands und verstärkter Unzufriedenheit der Beamtinnen und Beamten bei. Die Landesregierung habe mit ihrer jüngsten Ankündigung, 1.000 neue Polizistinnen und Polizisten einstellen zu wollen, viel zu spät reagiert, stellten die Abgeordneten fest. Neue Polizistinnen und Polizisten wachsen nicht auf Bäumen. Sie stehen erst nach sorgfältiger und langwieriger Ausbildung zur Verfügung. Realistisch muss man davon ausgehen, dass der Nachwuchs erst 2020 vor Ort einsetzbar sein wird.
Auch sei die Bewerberlage inzwischen sehr angespannt, so dass Hessen kaum noch Auswahl habe, sondern quasi jeden nehmen müsse. Die Situation wird noch schwieriger, weil eine erhebliche Anzahl der Einsteigerinnen und Einsteiger die Ausbildung nicht abschließt, informierten die Gewerkschaftler. Die Fachhochschule in Kassel konkurriere mit Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen um jede Person. Nach Aussage der Gewerkschaftsvertreter stammten in Kassel nur noch 25 Prozent der Neueinsteiger aus Hessen. Die jüngsten Erfahrungen zeigten, dass fast 20 Prozent der Studierenden das Studium abbreche oder sich aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen und eingeschränkten Versetzungsmöglichkeiten in andere Bundesländer orientiere. Das zeige deutlich, dass die geplanten Neueinstellungen hinten und vorne nicht reichen.
Hessens Polizistinnen und Polizisten haben mit 42 Stunden die bundesweit höchste Wochenarbeitszeit bei gleichzeitig schlechtester Bezahlung und geringsten Aufstiegsmöglichkeiten. Nullrunden bzw. Zuwächse von nur einem Prozent, Beihilfekürzungen oder Überstundenberge werden von den Kolleginnen und Kollegen zu Recht als mangelnde Wertschätzung ihrer Arbeit verstanden, fasste die Abgeordnete Sommer zusammen. Wir brauchen erheblich mehr Polizistinnen und Polizisten, die von qualifizierten Tarifkräften und Wachpersonal unterstützt werden müssen, um vor Ort ihre schwierige Aufgabe bewältigen zu können!
Die SPD setze sich deshalb für schnellstmögliche spürbare Personalverstärkung, eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit, einen Abbau der Überstunden sowie die Übernahme der Tarifergebnisse für die Beamtinnen und Beamten ein. Durch Stärkung der Mitbestimmungsrechte wollen wir zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen beitragen und unser aktueller Antrag, die Stellenzulagen auf das Ruhegehalt anzurechnen, soll die finanzielle Situation hessischer Polizistinnen und Polizisten nach dem Arbeitsleben verbessern.